Anlässlich der internationalen Herzklappenwoche vom 14. bis zum 20. September 2020 stellt die internationale Patientenorganisation Global Heart Hub die Ergebnisse der European Heart Health Survey vor, einer europaweit angelegten Studie zu Herzklappenerkrankungen. Führende Mediziner wie Prof. Helge Möllmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am St.-Johannes-Hospital Dortmund und Gründungsmitglieder der Initiative Herzklappe e.v., haben dabei das öffentliche Bewusstsein zu Herzklappenerkrankungen im Allgemeinen und zu ihren Symptomen im Besonderen erforscht, aber auch zu ihrer Diagnose und Behandlung. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Untersuchung ist die Frage nach der Rolle, die Senioren in der Gesellschaft einnehmen. Die Umfrage wurde unter 12.832 Personen über 60 Jahren in 11 europäischen Ländern durchgeführt: Frankreich, Belgien, Schweiz, Deutschland, Italien, Spanien, Österreich, Niederlande, Schweden, Irland und Großbritannien, im Oktober 2019. In Deutschland wurden 1,602 Teilnehmer befragt. Welche Ergebnisse zeigt die Studie?

Öffentliches Bewusstsein zu Herzklappenerkrankungen allgemein

Zunächst zeigt sich, dass das öffentliche Bewusstsein zu Herzklappenerkrankungen – beispielsweise zur Aortenstenose – trotz einer leichten Steigung seit 2017 immer noch gering ist: Nur 5,5% können die Symptome der Krankheit korrekt beschreiben. Und nur 3,3% der deutschen Senioren zeigen sich über eine mögliche Herzklappenerkrankung besorgt. Sie zeigen damit ein eher geringes Krankheitsbewusstsein – weitere Aufklärungsarbeit scheint also geboten! Denn trotz einer hohen Sterblichkeitsrate einerseits und einer zunehmenden Behandlungsrate von Herzklappenerkrankungen andererseits sind die Deutschen über 60 Jahre im europäischen Vergleich am wenigsten besorgt über die Aortenstenose. Dabei variiert der Grad der Besorgnis über eine Herzklappenerkrankung auch je nach Region: In Hamburg (14,6%) ist dieser deutlich höher als in Berlin (1,82%).

Öffentliches Bewusstsein zu Symptomen von Herzklappenerkrankungen

Handlungsbedarf besteht auch bei einer Verbesserung hinsichtlich des öffentlichen Bewusstseins zu den Symptomen von Herzklappenerkrankungen, denn nur ein kleiner Prozentsatz der Deutschen über 60 würde ärztliche Hilfe suchen, wenn sie einige der typischen Symptome einer Aortenstenose verspüren würden, wie z.B. Müdigkeit (12,5%) oder verminderte körperliche Aktivität (20,4%). Dabei wäre eine frühe Diagnose von großer Bedeutung, da eine undiagnostizierte Aortenstenose nach zwei Jahren ähnlich tödlich verläuft wie aggressivste Krebserkrankungen. Hinzu kommt, dass mehr als 60% der Befragten angab, dass die Symptome einer Herzklappenerkrankung sie in ihrem Leben erheblich einschränken würden: Fast die Hälfte (46,8%) würde keinen Sport mehr treiben, ein Viertel (24,3) nicht mehr arbeiten oder ein Ehrenamt ausüben.

Diagnose

Die Studie zeigt aber auch, dass ein wichtiges Werkzeug zur Diagnostizierung von Herzklappenfehlern in Deutschland kaum noch Verwendung findet: die Untersuchung mit dem Stethoskop. Denn defekte Herzklappen erzeugen oftmals einen unregelmäßigen Herzton, der sich deutlich von einem gesunden Herzton unterscheidet. Trotzdem ist die Zahl der Stethoskopuntersuchungen rückläufig: Wurden 2017 noch 23,6% der über 60-Jährigen abgehört, waren es 2019 nur noch 20,6%. Und fast ein Drittel (28,3%) aller Befragten gibt an, dass sie von ihrem Hausarzt nie oder nur auf Anfrage eine Stethoskop-Untersuchung erhalten! Deutschland rangiert in puncto Stethoskop-Untersuchung von Senioren über 60 Jahre im europäischen Vergleich auf einem der hintersten Plätze. Hingegen wird ein wesentlich höherer Anteil der Senioren in den Nachbarländern Frankreich (75%) und Belgien (56,9%) beim Hausarztbesuch stethoskopisch untersucht.

Außerdem hat die Studie noch ein Schlaglicht auf zwei weitere Probleme in Deutschland bezüglich Untersuchungen mit dem Stethoskop geworfen: Erstens ist die Verteilung von Stethoskop-Untersuchungen regional unterschiedlich stark– während in Thüringen knapp ein Drittel (27,7%) der über 60-Jährigen stethoskopisch untersucht werden, sind es in Rheinland-Pfalz nur ein Zehntel (12,3%)! Zweitens erhalten Frauen deutlich seltener Stethoskop-Untersuchungen als Männer (2019: Männer 25,3 %, Frauen 15,9 %; 2017: Männer 24,7 %, Frauen 22,0 %) – obwohl Herzinsuffizienzen statistisch betrachtet bei Frauen deutlich häufiger vorkommen. Eine Verbesserung der Diagnose von Herzklappenerkrankungen bei Frauen könnte also helfen, Leben zu retten!

Positive Ageing – Senioren in Deutschland leisten wichtigen Beitrag zum Gemeinwesen

Doch die Studie hat nicht nur kritisches zutage gefördert, sondern auch erfreuliches gezeigt: Die über 60-Jährigen Deutschen sind trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch aktiv, sie treiben Sport (49,4%), üben ein Ehrenamt aus (17,7%) oder haben ein künstlerisches Hobby (16,1%). Besonders bemerkenswert ist aber ihr Einsatz für ihre Familien: Mehr als ein Drittel (39,3%) ist mit der Pflege eines Angehörigen betraut! Die Senioren leisten also einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft in Deutschland – ein Grund mehr sich um ihre Gesundheit zu sorgen und über Herzklappenerkrankungen aufzuklären.